15.09. – 15.12.2019
TRAUMSTADT
Lyonel Feininger und seine Dörfer
Der deutsch-amerikanische Künstler Lyonel Feininger (1871 – 1956) war gerade einmal 16 Jahre alt, als ihn 1887 ein Ozeandampfer über den Atlantik nach Europa und ins wilhelminisch-kaiserliche Deutschland brachte. Er sollte eigentlich Violine studieren, Feininger aber wollte zeichnen. So schrieb er sich zunächst für die Zeichenklasse an der Allgemeinen Gewerbeschule in Hamburg ein und setzte sein Studium dann an der Königlichen Akademie in Berlin fort. Er erwies sich als ein aufmerksamer Beobachter, der mit wenigen Strichen Situationen und Charaktere treffend einzufangen verstand und bald Aufträge als Karikaturist für den „Ulk”, die „Lustigen Blätter” und „Das Schnauferl” bekam. Hier begann seine Karriere als einer der bedeutendsten Künstler der Moderne.
Bereits als Junge hatte er sich in den Straßen seiner boomenden Geburtsstadt New York herumgetrieben und die Menschen in der Stadt, das Treiben in den Häfen am Hudson und East River und den Bau der „Elevated Railroad“ genau beobachtet. Hier entstand seine Faszination für Konstruktion, Architektur und Lokomotiven, die ein Leben lang anhalten sollte. Die Zeiten indes, in denen seine Eltern als Musiker auf Konzertreisen waren, verlebte er bei Farmersleuten auf dem Lande in Connecticut, wo ihm die Natur, Wind und Wetter näher standen. Diese gegensätzlichen Erfahrungen von Stadt-und Landleben prägten ihn und seine Kunst lebenslang.
Lyonel Feininger blieb, abgesehen von einigen Aufenthalten in Paris, 50 Jahre lang in Deutschland und verließ es erst 1937, als die Naziherrschaft ihm Leben und Arbeit in Deutschland unmöglich machten. Doch hier entwickelte er sich zu dem berühmten Maler und Zeichner, der erfolgreich in der „Berliner Secession“ ausstellte, 13 Jahre am Bauhaus in Weimar und Dessau tätig war und seine kristalline Malerei entwickelte, die 1911 durch die Begegnung mit dem Kubismus in Paris angestoßen wurde. Die noch mittelalterlich geprägten Städte wie Lübeck oder Lüneburg feuerten seine Inspiration für den „Prisma-ismus“ ebenso an wie die Schiffe und Horizonte in den Badedörfern an der Ostsee in seiner späteren transparenten Lichtmalerei.
Besonders aber das Weimarer Land, diese für ihn neue „Alte Welt“, faszinierte ihn, seit er hier 1906 zum ersten Mal seine spätere Frau Julia Berg besuchte. Dörfer wie Oberweimar, Vollersroda und Gelmeroda, die er mit dem Fahrrad erkundete, fesselten seine Phantasie, und vor allem die kleine gotische Dorfkirche von Gelmeroda, die er in unzähligen Naturnotizen und Gemälden festhielt, wurde zum Symbol einer romantisch verklärten Märchenwelt, die er in seine Comic-Strips, seine Gemälde und die frühen „Mummenschanzbilder“ einfließen ließ, die von seltsam überlängten und historisch gekleideten Menschen bevölkert sind. Etwa seit Anfang der 1920er Jahre erschienen Städte und Dörfer im Lichte einer eingefrorenen Weltentrücktheit und Spiritualität. Sie bezeichnen Feiningers romantische Hinwendung zu einer Welt, die durch Massengesellschaft und Industrialisierung vor dem Untergang stand und nur noch in einer illusionären „Traumstadt“ zu finden war. Als Feininger in die USA zurückkehrte, nahm er die imaginären thüringischen Dörfer in seinem Inneren mit, auch als er eine neue Linearität in seiner Malerei entwickelte und sich New Yorker Stadtansichten widmete.
Die Ausstellung Traumstadt – Lyonel Feininger und seine Dörfer untersucht Feiningers intensive Auseinandersetzung mit Dörflichkeit und Urbanität im Kontext zunehmender Industrialisierung und Verstädterung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Präsentiert werden fast 90 Naturnotizen, Zeichnungen, Aquarelle, Druckgrafiken und Gemälde aus den Jahren 1890 bis 1955, die aus internationalen Museen und privaten Sammlungen stammen, etwa der Phillips Collection in Washington, dem Solomon R. Guggenheim Museum, New York, dem North Carolina Museum of Art, Raleigh, den Harvard University Art Museums, Busch-Reisinger-Museum, Marlborough Fine Arts, London, dem Kirchner Museum Davos, den Staatlichen Museen zu Berlin, den Staatlichen Kunstsammlungen Chemnitz und der Lyonel-Feininger-Galerie in Quedlinburg. Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit ca. 160 Seiten.
Werke Lyonel Feininger
Begleitprogramm
15.09.2019 | 11 Uhr
Von Gelmeroda nach New York | Kuratorenführung und Gespräch mit Dr. Andrea Fromm (Hamburg)
Pulsierendes Stadtleben und beschauliches Landleben gehörten zu den ersten Lebenserfahrungen Lyonel Feiningers. Zeitlebens standen die Motive dieser Lebenswelten mit ihren Häusern und Kirchen, Schiffen und Lokomotiven, Brücken und Viadukten im Zentrum seines Schaffens.
10.10.2019 | 19 Uhr
Auf Feiningers Spuren. Stationen seines Wirkens | Vortrag von Dr. Ulrike Müller (Weimar)
Der Vortrag zeichnet die wesentlichen künstlerischen Schaffensphasen Feiningers nach und versucht darzustellen, in welcher Weise sich die äußeren Lebensumstände und die Begegnung mit anderen Künstlern und Kunstrichtungen in seinen Werken widerspiegeln.
24.10.2019 | 19 Uhr
bauhaus polyphon | Von Feininger komponierte Fugen, für Akkordeon und Baßklarinette arrangiert | Susanne Stock, Akkordeon – Georg Wettin, Klarinette
Lyonel Feininger war neben seiner großen Begabung als Maler auch Musiker und komponierte in den 1920er Jahren 13 Fugen. Seine Liebe galt der Musik Johann Sebastian Bachs, und er lehnte seine Fugen an dessen Tonsprache an. Ausgehend von den Fugen Lyonel Feiningers entwarfen die Musiker Susanne Stock (Akkordeon) und Georg Wettin (Klarinette) ein Konzertprogramm, das sich im weitesten Sinne mit der Polyphonie zur Zeit des Bauhauses auseinandersetzt.
28.11.2019 | 19 Uhr
Feininger privat | Peter Rauch (Weimar) liest aus den Briefen von Lyonel Feininger an seine Frau Julia
Vortrag und Gespräch mit Dr. Michael Siebenbrodt (Weimar)
Der Briefwechsel zwischen Lyonel Feininger und seiner zweiten Frau Julia gibt einen Einblick in das Leben der Familie Feininger, aber auch das künstlerische Schaffen, wenngleich Julia Feininger die Briefe nur in einer von ihr redigierten Abschrift der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Michael Siebenbrodt geht in seinem Vortrag auf die gemeinsame Zeit ab 1906 ein, als beide sich – noch mit jeweils anderen Partnern verheiratet – in Weimar trafen. Er berichtet vom Leben der Familie, zu der später drei Söhne gehörten, von deren Geburtstagsgeschenken wie den vom Vater geschaffenen Comic-Serien oder den Handpuppen der Mutter und von den Segelschiffen, die Vater und Söhne gemeinsam bauten und in der Ostsee testeten. Andreas und T. Lux Feininger erhielten ihre Ausbildung am Bauhaus, der ältere widmete sich der Fotografie, der jüngste studierte in der Bühnenwerkstatt von Oskar Schlemmer. 1936 wurden 378 Werke von Feininger aus den öffentlichen Sammlungen verbannt; im Juni 1937 emigrierte die Familie nach New York.
Der Eintrittspreis für den Besuch der Ausstellung plus Begleitprogramm-Veranstaltung beträgt regulär 8,- €. Er ist einmalig zu entrichten. Für den Besuch jeder weiteren Begleitveranstaltung bezahlen Sie nach Vorlage der Begleitprogramm-Eintrittskarte nur noch 2,- €.
Der Besuch der Ausstellung ist jeweils ab 17.00 Uhr möglich.
KUNSTHAUS APOLDA AVANTGARDE
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ÖFFNUNGSZEITEN
Dienstag – Sonntag 10 bis 17 Uhr
Führungen nach telefonischer Voranmeldung
EINTRITTSPREISE
Erwachsene 8,- Euro
Ermäßigt 7,- Euro
Familienkarte 16,- Euro
Schulklassen Eintritt frei
Hinweise zu Parkmöglichkeiten
Rund um’s Kunsthaus gibt es nur eingeschränkte Parkmöglichkeiten. Falls alle Parkplätze besetzt sein sollten, weichen Sie bitte auf den Park & Ride-Parkplatz am Bahnhof (Zufahrt über Sulzaer Straße) oder das Parkhaus an der Stadthalle (ausgeschildert) aus. Zu Fuß sind es jeweils ca. 5 Minuten bis zum Kunsthaus.