01.09. – 15.12.2024
Der rote Schirm. Liebe und Heirat bei Carl Spitzweg
Lüsterne Blicke und schmachtendes Hinterherblicken, einsame Begegnungen im Wald, Verführungsversuche in freier Natur, nächtliche Ständchen und Stelldicheins, der spätromantische Maler Carl Spitzweg (1808-1885) entlarvt mit seinen humorigen und hintergründigen Anspielungen auf die Liebe und das Eheleben nicht selten die Doppelmoral, die sich hinter der Maske von Bürgerlichkeit und Sittsamkeit verbirgt.
Jäger, Sennerinnen, bürgerliche Damen und Herren, Ballonfahrer, Apotheker und Mineralogen, niemand ist bei Spitzweg vor Begierde und Verlangen sicher, aber auch nicht vor Verlust, Verzicht und unerfüllter Liebe. Selbst Eremiten, Mönche und Pfarrer verfallen scharenweise der Liebe. Sie alle, die stürmischen Verführer, schüchternen Verehrer und verliebten Narren, die schrulligen Kaktusliebhaber und die einsamen Wissenschaftler, sie alle werden zum Spiegelbild Spitzwegs, der sich nie verheiratet, doch auch nach dem frühen Tod seiner großen Liebe, der Schreinermeisterstochter Clara Lechner, in „Amouren und Amürchen“ verstrickt bleibt und sich einen wachen Blick für die Liebe bewahrt.
Welche Rolle ein roter Regenschirm bei all dem spielt, der wie kaum ein anderer symbolischer Gegenstand die Bildwelt Spitzwegs durchzieht, untersucht die Ausstellung „Der rote Schirm. Liebe und Heirat bei Carl Spitzweg.“ Denn bei dem roten Schirm handelt es sich keineswegs um ein gewöhnliches Accessoire, er war in einigen Regionen Deutschlands Attribut der Hochzeitslader*innen, den Zeremonienmeistern der bäuerlichen Hochzeit, welche für die Hochzeitseinladungen und die Ausrichtung der Hochzeitsfeierlichkeiten zuständig waren. Spitzweg gibt ihn all seinen Figuren mit auf den Weg: Eremiten, Mönchen und Pfarrern, Anglern und Jägern genauso wie barfüßigen Bauernmädchen und Sennerinnen, Ballonfahrern, Schmetterlingsfängern, Käfersammlern und Mineralogen. Und schon bald durfte der rote Schirm in keiner Amts- und Schreibstube und auf keiner Wanderung und keinem Spaziergang mehr fehlen. Immer ist er mit von der Partie, auch wenn Spitzweg geschickt über ihn hinwegzutäuschen versucht. Oft lehnt er wie vergessen an Baumstümpfen und Kommoden oder liegt im Gras.
Doch gerade diese Beiläufigkeit ist es, die dem Schirm äußerste Brisanz verleiht. Sie lässt ihn zu einem Sinnbild der biedermeierlichen Gesellschaft werden, das Spitzweg gekonnt heranzieht, um als unumstrittener Meister des Grotesken über die verschiedenen Gesichter der Liebe, das Ehe- und Familienleben und über die Geschlechterrollen zu reflektieren.
Bild: Carl Spitzweg, Ein Besuch, um 1850, Öl auf festem, braunem Malkarton, 22,1 x 26,7 cm, © Museum Georg Schäfer Schweinfurt
12.05. – 18.08.2024
Meret Oppenheim & Friends
Mit ihrem vielgestaltigen Werk war die deutsch-schweizerische Künstlerin Meret Oppenheim (*1913 Berlin, †1985 Basel) ihrer Zeit weit voraus. Sie erforschte die Tiefensphären des menschlichen Wesens, befasste sich mit dem Kreislauf des Werdens und Vergehens und den wandelbaren Kräften der Natur. Zeitlebens suchte sie die Kluft zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen ebenso zu überwinden wie die Barrieren zwischen freier und angewandter Kunst. Mit ihrem hintergündig-humorvollen Werk hat sie stark auf jüngere Künstlergenerationen eingewirkt.
Meret Oppenheims Suche nach einer autonomen Identität und einem unbegrenzten künstlerischen Ausdruck lag ein unbändiger Freiheitsdrang zugrunde, der sie auch zum Bruch mit dem Surrealistischen Kreis im Paris der 1930er Jahre bewegte, in dem sie mit ihrer »Pelztasse« ein Schlüsselwerk schuf und einen ersten großen Erfolg feierte. Als Muse von Man Ray kategorisiert und in ihrem schöpferischen Geist beschnitten, folgte eine jahrelange Schaffenskrise, die sie erst in den 1950er Jahren im lebendigen und kreativen Klima von Bern unter gleichgesinnten Künstlern wie Daniel Spoerri und Dieter Roth überwand. Trotz der Absage an eine stilistische Zuordnung blieb ihrem Werk das Somatische, Materielle und Assoziative, das der Surrealismus Anfang des 20. Jahrhunderts in den Vordergrund gerückt hatte, weiterhin immanent: objekthaften Assemblagen und aberwitzigen Materialkombinationen gehen ein Spiel mit Empfindungen, Körperlichkeit und Verfremdung ein. Das Prinzip der Metamorphose wird zu Meret Oppenheims zentraler künstlerischen Strategie. „Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie nehmen“ äußerte sie in ihrer Rede anlässlich der Übergabe des Kunstpreises der Stadt Basel im Jahr 1974.
Die Ausstellung Meret Oppenheim & Friends setzt sich mit der Rezeption und Reflexion des Werkes der Künstlerin durch künstlerische Wegbegleiter*innen und nachfolgende Kunstschaffende auseinander. Im Zentrum der Ausstellung stehen Bilder, Papierarbeiten, Skulpturen und Objekte Meret Oppenheims, die Werken ihrer Künstlerfreund*innen und –Kolleg*innen gegenübergestellt werden, um die ästhetischen Konzepte ihrer Zeit im facettenreichen Austausch zu beleuchten. Die Ausstellung verortet das Œuvre der Künstlerin nicht nur in ihrem zeitgeschichlichen Kontext, sondern rückt dessen ungebrochene Gegenwärtigkeit in den Blick.
Beteiligte Künstler*innen
Jean Arp, Eduardo Arroyo, André Breton, Jürgen Brodwolf, Marcel Duchamp, Max Ernst, Leonor Fini, Brigitte Hellgoth, Maurice Henry, Rebecca Horn, Marcel Jean, Dora Maar, Man Ray, Dieter Roth, Daniel Spoerri, Karin Székessy, Dorothea Tanning, Ernesto Tatafiore, Marie (Cermínová) Toyen
Bild: Meret Oppenheim, Tätowiertes Portrait, 1980, Schablone und Spray auf Fotografie auf leichtem Karton, (Foto: Günter Mebusch, Düsseldorf, 1978), 29,5 x 21 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2023
14.01. – 28.04.2024
Rembrandt – Meisterwerke der Radierkunst
Aus den Beständen des Kupferstichkabinetts der Akademie der bildenden Künste Wien
„Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Rembrandt wurde wegen der ihm eigenen Art der Radierung von Kennern mehr geschätzt als um seiner Malerei willen“ (Filippo Baldinucci, 1686)
Kaum ein anderer Künstler wird derart oft für Illustrationen von Büchern verwendet, wie Rembrandt Harmensz van Rijn (1606 – 1669). Diese Vorliebe ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass sich der Künstler intensiv mit Texten der Heiligen Schrift auseinandergesetzt hat und seine Blätter über kompositionelle Fragen hinaus eine tief durchdachte Deutung des Geschehens bieten.
Die Technik der Radierung kommt der Zeichnung mehr als jede andere Druckgraphik nahe und war deshalb bereits im 17. Jahrhundert ein begehrtes Objekt der Sammelleidenschaft. Im Gegensatz zum Kupferstich verwendete Rembrandt die Radierung nicht zur Wiederholung der Kompositionen, die er für Gemälde gefunden hatte, sondern sie ist für ihn ein eigenes – vielfach variiertes – Mittel des künstlerischen Ausdrucks. Da er sich dabei an den Interessen des Kunstmarktes orientieren musste, bildeten sich bei den Themen einzelne Gruppen heraus, die auch in der Gliederung der Ausstellung ihren Niederschlag finden.
Wesentliche Gemeinsamkeit der Blätter ist aber eine scharfe Beobachtungsgabe des Künstlers, die fern jeder Idealisierung Menschen und Schauplätze festhält, sowie ein subtiles Einfühlungsvermögen in dargestellte Charaktere. Grundlage dieser Charakteristik in Rembrandts Werk ist die intensive Beschäftigung mit dem Selbstportrait, in der er seine eigene Person als Modell vor dem Spiegel in unterschiedlichen Posen und Verkleidungen studiert. Fast alle diese Blätter tragen stolz die Signatur des selbstbewussten Künstlers, der so wie seine prominenten italienischen Vorbilder Michelangelo oder Raffael, dafür nur seinen Vornamen verwendet.
Im Besonderen widmet sich die Ausstellung der Gegenüberstellung unterschiedlicher Variationen desselben biblischen Themas. Einer früheren Phase effektvoller barocker Dramatisierung in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts steht ein erneutes Aufgreifen relevanter Themen in den 40er Jahren gegenüber, in denen der Künstler die dargestellten Themen mit subtiler psychologischer Erfassung der Protagonisten neu deutet. Die Ausstellung lädt den Besucher ein, sich über kunsthistorische und technische Fragen hinaus mit den Bildinhalten zu befassen und damit in Rembrandts Gedankenwelt einzutauchen.
Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt des Kunstvereins Apolda Avantgarde e.V. mit PONTE Wien. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien, das den überwiegenden Teil der ca. 75 gezeigten Werke zur Verfügung gestellt hat. Einzelne, ergänzende Leihgaben stammen aus anderen Sammlungen.
Bild: Rembrandt Harmensz van Rijn, Selbstportrait mit federgeschmücktem Samtbarett, Radierung, 1638, 13,4 x 10,3 cm, Wien, Akademie der Bildenden Künste, Kupferstichkabinett