16.01. – 18.04.2022
Ernst Barlach und Käthe Kollwitz
„Über die Grenzen der Existenz“
Schon früh konzipieren Ernst Barlach (1870-1938) und Käthe Kollwitz (1867-1945) ihre künstlerische Arbeit im Widerspruch zu einer als kalt empfundenen, vom Materialismus geprägten Wirklichkeit. Käthe Kollwitz stellt ihre Kunst ganz in den Dienst gesellschaftlicher Verantwortung und schafft vor diesem Hintergrund eine Fülle von sozialrevolutionären Werken. Ihre ganze Aufmerksamkeit gilt jenen Menschen, die im Schatten des Fortschritts in ärmsten Verhältnissen leben und täglich um ihre Existenz ringen. In realistischer und appellativer Bildsprache klagt sie eine Wirklichkeit an, die solche Ungerechtigkeiten zulässt. Während das Werk der Käthe Kollwitz von einer engagierten diesseitigen, auf die konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse ausgerichteten Sichtweise und Zielperspektive geprägt ist, lässt sich Ernst Barlach eher als ein Mystiker der Moderne beschreiben. Seine Menschenbilder tragen kaum individuelle Merkmale. Sie verkörpern vielmehr symbolhaft die Grundzustände menschlichen Seins und sind als Ausdruck geistiger Orientierung auf eine andere, eine bessere Welt zu lesen. Mit über 100 Exponaten bietet die Ausstellung nicht nur einen retrospektiven Einblick in das Gesamtwerk beider Künstler im historischen Kontext, sondern sie spiegelt auch deren Weltanschauungen in die Gegenwart. Über die Grenzen der Existenz wollten Barlach wie Kollwitz in ihren Werken hinausgehen. Die aktuellen Debatten um soziale Verantwortung, Armut und Reichtum, Empathie und Engagement für den Frieden sind darin aufgehoben, ebenso wie die Sinnsuche des Menschen in einer globalen, von Krisen geschüttelten Gegenwart. Die dialogische Konzeption der Ausstellungen verbindet das Werk von Ernst Barlach und Käthe Kollwitz, zeigt deren Bedeutung für die Gegenwart und beteiligt sich an einem kritischen Diskurs über Begriffe wie Wachstum und Fortschritt.
Konzeption: Dr. Jürgen Doppelstein, Ernst Barlach Museumsgesellschaft Hamburg
Bilder: Käthe Kollwitz, Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht (Ausschnitt), Federzeichnung, 1900 | Ernst Barlach, Güstrower Ehrenmal (Detail), Bronze, 1927 © Ernst Barlach Museumsgesellschaft Hamburg
01.05. – 03.07.2022
Cornelia Schleime
„An den Ufern ferner Zungen“
Die in Berlin, Brandenburg und auf La Palma arbeitende Autorin, Filmemacherin, Malerin und Performerin Cornelia Schleime (*1953) gehört zu den wichtigsten Künstlerinnen der Gegenwart. In den vergangenen Jahren wurden ihr mehrere bedeutende Kunstpreise verliehen, wie der Gabriele-Münter-Preis vom Bundesministeriumfür Familie und der Hannah-Höch-Preis des Landes Berlin für ihr Lebenswerk. Seit 2005 ist sie Professorin an der Hochschule für Bildende Künste in Münster. In ihren expressiv mit Acrylfarben, Schellack und Asphaltlack gemalten Bildern und aquarellierten Zeichnungen beschäftigt sie sich mit existentiellen Themen des Lebens und gesellschaftlichen Veränderungen, die sie mit einer persönlichen Mythologie verbindet. Ihre Arbeit betrachtet sie als ständigen Prozess, der Unbewusstes an die Oberfläche bringt. „Für mich spielen Gefühle eine größere Rolle als Konstruktionen. […] Ich will Opulenz, das große Gefühl. Ich will Tragik, Liebe, Leidenschaft.“ Das Durchdringen ihrer eigenen Identität spielt dabei eine große Rolle: „Meine Figuren“, so Cornelia Schleime, „das bin ich“. Schon während ihrer Ausbildung an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden stand die in Ost-Berlin aufgewachsene und katholisch erzogene Künstlerin dem sozialistischen Realismus kritisch gegenüber. 1981 erhielt sie wegen ihrer Zugehörigkeit zur alternativen Kunstszene Dresdens Ausstellungsverbot und suchte sich in Performances, Super-8-Filmen und als Sängerin der Punk-Band „Zwitschermaschine“ neue Ausdrucksmöglichkeiten. 1984 durfte sie nach West-Berlin ausreisen. Die Ausstellung zeigt mehr als 100 Arbeiten aus allen Schaffensphasen, darunter frühe Werke aus der DDR und neue großformatige Acrylbilder, die die Malerin zum ersten Mal in der Öffentlichkeit präsentiert.
Konzeption: Dr. Andrea Fromm, Kunsthistorikerin
Bild: Kaltes Schlingen, 2017, Acryl, Asphaltlack und Schellack auf Leinwand, © Cornelia Schleime, © Foto: Bernd Borchardt
17.07. – 11.09.2022
Erich Heckel
Aquarelle und Zeichnungen aus sechs Jahrzehnten
Die Natur, der Mensch in der Natur und die Landschaft stehen als Sujets im Zentrum der Ausstellung „Erich Heckel – Aquarelle und Zeichnungen aus sechs Jahrzehnten“, die 2022 im Kunsthaus Apolda Avantgarde präsentiert wird. In Zusammenarbeit mit dem Erich Heckel-Nachlass aus Hemmenhofen werden ca. 90 Aquarelle, Zeichnungen und Druckgraphiken aus allen Werkphasen des künstlerischen Schaffens Erich Heckels gezeigt. Als die Dresdner Architekturstudenten Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel am 7. Juni 1905 die „Künstlergruppe Brücke“ gründeten, hatten sie vor allem ein Ziel vor Augen: sie wollten aufbrechen zu neuen Ufern der Kunst. Es galt, sich von der als starr empfundenen akademischen Malerei ihrer Zeit abzugrenzen. Auf der Suche nach dem Ursprünglichen zog es sie hinaus in die Landschaft. Die symbiotische Beziehung der Künstler zur Natur blieb allen Mitgliedern auch nach Auflösung der Gruppe im Jahr 1913 ein Lebensprinzip. Nach dem Ersten Weltkrieg unternahm Erich Heckel ausgedehnte Reisen durch Europa. Das Landschaftsaquarell wurde in dieser Zeit zum bevorzugten Thema. Auch Blumenstillleben mit komplexen Bildhintergründen gehörten zu seinen präferierten Motiven. Ab 1937 wurde Heckel von den Nationalsozialisten als „entarteter Künstler“ verunglimpft. Über 700 seiner Werke hat das NS-Regime aus deutschen Sammlungen entfernt, beschlagnahmt, verkauft und verbrannt. Weitere Werke fielen einem Bombenangriff zum Opfer, darunter viele Frühwerke. Nach Jahren der Verfolgung und der Zerstörung seiner künstlerischen Arbeit suchte Erich Heckel einen abgeschiedenen Ort zum Leben und Arbeiten. Diesen fand er in Hemmenhofen am Bodensee. Heckel und seine Frau Siddi verließen kaum noch ihre neue Heimat. Die letzten 15 Jahre seines Lebens verbrachte er zurückgezogen in Hemmenhofen, wo er vielfach geehrt, 1970 im 87. Lebensjahr starb. Angesichts der harten Schicksalsschläge, die Erich Heckel und sein künstlerisches Werk immer wieder trafen, erscheint es uns fast wie ein Wunder, dass wir heute die Bilder jener „jungen Künstlergeneration“ betrachten dürfen, die Anfang des 20. Jahrhunderts aufbrachen, um sich „Arm- und Lebensfreiheit“ zu erkämpfen.
Konzeption: Nadine Stephan, Kunsthistorikerin
Bild: Erich Heckel, Angoulême, 1929, Aquarell, © Erich Heckel Nachlass, © Foto: Matthias Eckert
25.09. – 18.12.2022
Cezanne · Degas · Matisse
Hokusai · Hiroshige · Utamaro
Der Einfluss des japanischen Holzschnittes auf die französische Avantgarde
Herausragende Werke der französischen Avantgarde des 19. Jahrhunderts werden Werken japanischer Meister gegenübergestellt, die als Inspirationsquelle für deren künstlerisches Schaffen dienten. Der Sammler Otto Gerstenberg (1848 – 1935) erkannte den immanenten Einfluss der ukiyo-e, der japanischen Farbholzschnitte, auf die Entwicklung der europäischen Kunst. Nach der wirtschaftlichen Öffnung Japans im Jahre 1854 kamen Farbholzschnitte in den europäischen Handel. Sie lösten eine wahre Welle der Begeisterung aus. Künstler wie Paul Cézanne, Edgar Degas, Pierre Bonnard, Édouard Vuillard, Henri Matisse sowie Henri de Toulouse-Lautrec waren von der neuartigen Ästhetik der japanischen Holzschnitte fasziniert und erhielten entscheidende Impulse für ihre eigenen Arbeiten. Die leuchtenden Farben sowie die ungewöhnlichen Kompositionsformen der japanischen Farbholzschnitte spiegeln sich in den Werken der französischen Künstler der Jahrhundertwende wider. Stilbildend wirkten ebenso die neuen Motive, sowie die Fähigkeit subtile Veränderungen der Natur im Wechsel der Jahreszeiten auszudrücken. „Nicht mehr und nicht weniger als eine Revolution im Sehen der europäischen Völker, das ist der Japonismus. Ich möchte behaupten, er bringt einen neuen Farbensinn, neue dekorative Gestaltung und sogar poetische Phantasie in das Kunstwerk, …“, schrieb der Schriftsteller Edmond de Goncourt im Jahre 1884. Um die 80 Meisterwerke der legendären Privatsammlung werden in diesem historischen Zusammenhang in der Ausstellung präsentiert.
Konzeption: Konzeption: René Scharf und Susanne Flesche, Kunsthistorikerin
Bilder: Katsushika Hokusai, Hodogaya am Tôkaidô, Fugaku sanjûrokkei / 36 Ansichten des Fuji, 1829-33, Nishiki-e, © Sammlung Scharf-Gerstenberg | Paul Cézanne, Les baigneurs, grande planche / Die Badenden, großer Druckstock, 1896-98, Lithographie mit Aquarell handkoloriert, © Sammlung Scharf-Gerstenberg